Peltonturbine: Wirkungsweise, Dimensionierung & Wirkungsgrade einfach erklärt
Veröffentlicht am 19. August 2025
Kurzfassung:
Die Peltonturbine nutzt gezielte Wasserstrahlen zur Energiegewinnung bei hohen Fallhöhen (40-400m). Dieser Leitfaden erklärt Funktionsweise, Dimensionierung mit Formeln, Wirkungsgrade und Praxishinweise für die optimale Auslegung von Peltonturbinen in Wasserkraftwerken.
Peltonturbine mit Düse (links) und Laufrad mit Bechern (rechts).
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Peltonturbine?
- Wirkungsweise: Vom Wasserstrahl zur Drehbewegung
- Düsen, Regelung & Strahlablenker (Wasserschlag vermeiden)
- Dimensionierung: Schritt für Schritt mit Formeln
- 1) Strahlgeschwindigkeit und Fallhöhe
- 2) Umfangsgeschwindigkeit und Strahlkreisradius
- 3) Generatorwahl und Nenndrehzahlen
- 4) Strahldurchmesser, Düsenöffnung und Bechergrösse
- Leistung und Wirkungsgrad
- Praxis-Hinweise & Faustregeln
- FAQs
Was ist eine Peltonturbine?
Die Peltonturbine ist eine Freistrahlturbine: Ein oder mehrere Düsen formen das Wasser zu hochgeschwindigen Strahlen, die auf Becher eines Laufrades treffen. Durch das Umlenken des Strahls geben die Wasserteilchen ihren Impuls an das Laufrad ab – es entsteht Drehmoment und damit Leistung.
Wirkungsweise: Vom Wasserstrahl zur Drehbewegung
Im Unterschied zum klassischen Wasserrad fällt das Wasser nicht auf Schaufeln, sondern wird gezielt eingespritzt und umgelenkt. Zwei Grenzfälle verdeutlichen das Prinzip:
- Laufrad steht: Der Strahl prallt ab und verlässt den Becher fast mit gleicher Geschwindigkeit (nur die Kraft ist gross, Energieübertrag ist klein).
- Laufrad läuft strahlgleich schnell: Keine resultierende Kraft, keine Energieübertragung.
Optimal: Wenn das Wasser beim Austritt aus dem Becher relativ zum Raum nahezu stillsteht. Das wird erreicht, wenn die Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades ungefähr die Hälfte der Strahlgeschwindigkeit beträgt.
Düsen, Regelung & Strahlablenker (Wasserschlag vermeiden)
Die Düse bestimmt über ihre Öffnungsfläche den Strahldurchmesser und damit die Wassermenge. Es gibt Ausführungen mit fester Öffnung oder mit innenliegender Düsennadel (stufenlos verstellbar, Verstellung per Handrad oder hydraulisch/elektrisch). Peltonturbinen werden mit 1 bis 6 Düsen gebaut.
Notfallfall: Schleuderdrehzahl. Wird plötzlich keine Leistung mehr abgenommen, steigt die Drehzahl bis zur Schleuderdrehzahl (etwas unter der zweifachen Nenndrehzahl). Je nach Konstruktion kann das unschädlich oder zerstörerisch sein.
Wasserschlag vermeiden: Ein schnelles Schliessen der Düsen würde die in der Zuleitung bewegte Wassermasse abrupt abbremsen – es droht Wasserschlag (gefährliche Druckspitzen). Daher Düsen nur langsam schliessen. Um das Laufrad dennoch schnell zu entlasten, wird ein Strahlablenker eingesetzt: Er lenkt den Strahl zwischen Düse und Laufrad ab, sodass keine Kraft mehr auf das Laufrad wirkt. Bei mehrdüsigen Turbinen braucht jede Düse ihren eigenen Strahlablenker.
Dimensionierung: Schritt für Schritt mit Formeln
Schematische Darstellung: Fallhöhe H, Strahldurchmesser d, Strahlkreisradius R, Becherbreite b.
1) Strahlgeschwindigkeit und Fallhöhe
Die Strahlgeschwindigkeit (v) hängt von der Fallhöhe (H) ab:
v = √(2 · g · H)
mit (g = 9.81 m/s^2).
In der Praxis ist der Strahl durch Düsenverluste ca. 2 % langsamer.
Beispiel: (H = 100 m) ⇒ (v ≈ 44.3 m/s).
2) Umfangsgeschwindigkeit und Strahlkreisradius
Für besten Wirkungsgrad soll die Umfangsgeschwindigkeit (u) etwa (v/2) sein.
Mit Drehzahl (n) ([U/min]) und Strahlkreisradius (R) ([m]):
u = 2π · R · n / 60 ≈ R · n / 9.55
Beispiel: (R = 0.14 m), (n = 1500 U/min) ⇒ (u ≈ 22 m/s).
Gesucht ist meist (R):
R = (0.5 · v) · 60 / (2π · n) ≈ (0.5 · v) · 9.55 / n
Beispiel: (v = 44 m/s), (n = 1515 U/min) ⇒ (R ≈ 0.14 m).
3) Generatorwahl und Nenndrehzahlen
In europäischen 50-Hz-Netzen sind typische Synchrongeschwindigkeiten:
- 2-polig: 3000 U/min
- 4-polig: 1500 U/min
- 6-polig: 1000 U/min
- 8-polig: 750 U/min
… usw.
In kleineren Anlagen (bis ca. 1000 kW) werden häufig Asynchronmaschinen genutzt: günstig, robust, keine Synchronisierung beim Zuschalten. Im Generatorbetrieb laufen sie typischerweise ~1 % über der obigen Synchrondrehzahl. 2-polige Maschinen werden bei Pelton selten eingesetzt (Schleuderdrehzahl im Bereich ~6000 U/min).
Bei stark variierender Fallhöhe (z. B. tiefes Staubecken, hohe Leitungsverluste) sind drehzahlvariable Lösungen sinnvoll: früher polumschaltbare Generatoren, heute meist rückspeisefähige Frequenzumrichter.
4) Strahldurchmesser, Düsenöffnung und Bechergrösse
Die Wassermenge (Q) bestimmt Strahldurchmesser, Düsenöffnung und Bechergrösse.
Kontinuität:
Q = v · (π · d² / 4) ⇒ d = 2 · √( Q / (v · π) )
Beispiel: (Q = 0.020 m^3/s) (20 l/s), (v = 44 m/s) ⇒
(d ≈ 0.024 m) (24 mm).
- Mehrdüsig: (Q) je Düse = (Qges/Anzahl Düsen).
- Düsenmund: Wegen Einschnürung (Kontraktion) ist der Düsenmunddurchmesser ca. +20 % grösser als (d).
Beispiel: (d = 24 mm) ⇒ Düsenmund ≈ 27 mm. - Bechermasse: Breite und Höhe ≈ 3 × d.
Beispiel: (d = 24 mm) ⇒ ~70 mm Becherinnenbreite. - Geometrie-Faustregel: Verhältnis Strahlkreisradius / Becherbreite ≥ 1.5.
Beispiel: (R = 140 mm), Becherbreite (= 70 mm) ⇒ 2.0 (ok).
Details zu Becheranzahl, exakter Becherausrichtung, Düsengeometrie und Gehäuse werden in der Praxis mit Simulationsprogrammen von Hochschulen und Turbinenherstellern optimiert.
Leistung und Wirkungsgrad
Normierte Kennlinien: Volumenstrom Q/Qₙ über Drehzahl n/nₙ; gestrichelte Felder markieren typische Betriebsbereiche.
Die hydraulische Leistung (Phydr) ergibt sich aus Fallhöhe (H) und Wassermenge (Q):
Phydr = ρ · g · H · Q
mit (ρ = 1000 kg/m^3), (g = 9.81 m/s^2).
Beispiel: (Q = 0.020 m^3/s) (20 l/s), (H = 100 m) ⇒
(Phydr ≈ 19.6 kW).
- Turbinenwirkungsgrad (ηT): ~78 % bis 92 %
- Generator/Elektrik (ηG): ~90 % bis 98 %
- Gesamtwirkungsgrad (ηges = ηT · ηG): ~70 % bis 90 % im Nennpunkt
- Teillast: (ηges) kann < 20 % fallen
Hinweis: Beim Turbinenwirkungsgrad sind Druckverluste in der Zuleitung nicht enthalten.
Praxis-Hinweise & Faustregeln
- u ≈ v/2: Umfangsgeschwindigkeit auf etwa die Hälfte der Strahlgeschwindigkeit auslegen.
- Wasserschlag ernst nehmen: Düse langsam schliessen, Strahlablenker für schnelle Entlastung.
- Mehrdüsen nur, wenn nötig: Bessere Regelbarkeit, aber höherer Aufwand (Mechanik & Rohrleitungen).
- Geometrie im Blick: (R/Becherbreite ≥ 1.5).
- Variable Drehzahl erwägen bei stark schwankender Fallhöhe/Leitungsverlusten.
FAQs
Wofür eignet sich die Peltonturbine besonders?
Für hohe Fallhöhen und vergleichsweise geringe Wassermengen (Hochdruckanwendungen).
Wie viele Düsen sind sinnvoll?
Zwischen 1 und 6 – mehr Düsen verbessern die Lastregelung, erhöhen aber Kosten und Komplexität.
Warum braucht es Strahlablenker, wenn man die Düse schliessen kann?
Weil ein schnelles Schliessen zu Wasserschlag führen kann. Der Strahlablenker entlastet das Laufrad sofort, während die Düse kontrolliert langsam schliesst.